Während des Zweiten Weltkriegs gab es keinen so großen Waffenstillstand wie Weihnachten 1914. Damals verließen Tausende französische, deutsche und britische Soldaten ihre Schützengräben und trafen sich im Niemandsland, um Geschenke, Essen und Geschichten auszutauschen …
Den Generälen beider Seiten gefiel diese Verbrüderung verständlicherweise nicht und sie sorgten dafür, dass solches Verhalten bestraft wurde. Einen Waffenstillstand gab es in keinem Krieg mehr. Und doch … Während die Amerikaner im Dezember 1944 während der Ardennenoffensive ihre Stellungen erbittert gegen den deutschen Angriff verteidigten, führte ein kleiner Anflug von Menschlichkeit zu einem erstaunlichen Ereignis. Es geschah an Heiligabend dank einer Deutschen, Elisabeth Vincken.

Ein Blick auf die Menschlichkeit während der Ardennenoffensive

Drei amerikanische Soldaten, einer davon schwer verwundet, hatten sich im verschneiten Ardennenwald verirrt und versuchten, verbündete Truppen zu finden. Sie waren seit drei Tagen auf den Beinen, und der Lärm der Schlacht hallte durch die umliegenden Hügel. Dann, am Heiligabend, stießen sie auf eine kleine Hütte in den Bergen.

Elisabeth Vincken und ihr zwölfjähriger Sohn Fritz hatten gehofft, ihr Vater würde zurückkehren, um Weihnachten mit ihnen zu verbringen, doch es war zu spät. Die Familie hatte ursprünglich in Aachen gelebt, doch die ständigen Bombenangriffe zwangen sie, in eine kleine Hütte im Hürtgenwald, unweit der belgischen Grenze, zu ziehen.

Amerikanische Soldaten auf einem Feldzug im Ardennenwald.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Elizabeth blies die Kerzen aus und öffnete die Tür. Hinter ihnen standen zwei feindliche amerikanische Soldaten und ein dritter lag im Schnee. Trotz ihres schäbigen Aussehens schienen sie nur wenig älter als der kleine Fritz zu sein. Sie waren bewaffnet und hätten leicht hereinplatzen können, beschlossen aber trotzdem zu klopfen. Also bat Elizabeth sie herein. Obwohl sie kein Englisch sprach und sie kein Deutsch, konnten sie sich in gebrochenem Französisch verständigen. Elizabeth hörte sich ihre Geschichte an und begann, das Abendessen zuzubereiten – Kartoffeln und gebratenen Hahn.

„Es ist Heiligabend, und hier wird nicht geschossen!“

Drei Amerikaner und vier Wehrmachtssoldaten an einem Tisch

Während der Hahn zubereitet wurde, klopfte es erneut an der Tür, und der kleine Fritz wollte öffnen. Doch hinter der Tür standen vier bewaffnete Wehrmachtssoldaten … Die Beherbergung eines Feindes war damals die sofortige Hinrichtung. Elisabeth wusste das genau, stieß ihren Sohn weg und trat hinaus. Vor der Hütte standen ein Korporal und drei sehr junge Soldaten, die ihr frohe Weihnachten wünschten und gleichzeitig um Unterkunft und ein wenig Wärme baten.

Elisabeth bat sie herein, warnte sie aber, dass sich noch andere Besucher darin befanden, die sie definitiv nicht als Freunde betrachten würden. Der Korporal fragte scharf, ob es sich um Amerikaner handele, und sie antwortete, es seien drei verlorene Männer, die wie sie Wärme und Ruhe suchten. Während der Korporal sie ansah, platzte Elisabeth mit einem weiteren Satz heraus: „Es ist Heiligabend und hier wird nicht geschossen.“ Sie bestand außerdem darauf, dass die Deutschen ihre Waffen vor der Hütte ließen. Nach kurzem Überlegen kamen die Deutschen der Aufforderung nach, während Elisabeth dasselbe von den Amerikanern verlangte.

Die Wärme und der Geruch des gebratenen Hahns vertrieben den letzten Schatten des Misstrauens

Die Stimmung in der Hütte war verständlicherweise von Misstrauen und Angst geprägt. Deutsche und Amerikaner beäugten sich misstrauisch. Doch die Hitze und der Geruch des bratenden Hahns forderten schließlich ihren Tribut, und die Spannung ließ allmählich nach. Die Deutschen zauberten eine Flasche Wein und einen Laib Brot aus ihrer Ausrüstung hervor.

Während Elisabeth sich um das Kochen kümmerte, betrachtete einer der deutschen Soldaten, zufällig ein ehemaliger Medizinstudent, den verwundeten Amerikaner, der dort lag. Er erklärte auf Englisch, dass die Kälte eine Infektion in seinem Bein verhindert habe, er aber viel Blut verloren habe. Was er brauche, sei Essen und viel Ruhe. Als das Essen fertig war, war die Atmosphäre recht entspannt.

Der Waffenstillstand zwischen den Soldaten hielt die ganze Nacht bis zum Morgengrauen

Im Morgengrauen warf ein deutscher Korporal den Amerikanern einen Blick auf eine Karte, wies ihnen den besten Weg zu ihren Linien und gab ihnen einen Kompass. Auf die Frage, ob sie in die nahegelegene Stadt Monschau vorrücken sollten, schüttelte der Korporal nur den Kopf und erklärte, die Stadt sei bereits in deutscher Hand. Elisabeth gab allen ihre Waffen zurück, die Feinde schüttelten sich die Hände, und jeder marschierte in entgegengesetzte Richtungen …

Im Jahr 2002 wurde der Film „Stille Nacht“ von Rodney Gibbons über den kleinen Weihnachtsfrieden gedreht.

Begegnung nach Jahren

Fritz und seine Eltern überlebten den Krieg schließlich gesund. Sowohl seine Mutter als auch sein Vater starben in den 1960er Jahren. Er heiratete und zog nach Hawaii, wo er auf der Insel Honolulu eine Bäckerei eröffnete.

Jahrelang versuchte er, die Amerikaner oder Deutschen aus seiner Kriegsgeschichte zu finden, um herauszufinden, wie es ihnen ergangen war. Sein Glück wendete sich 1995, als die Sendung „Unsolved Mysteries“ ausgestrahlt wurde. Darin wurde bekannt, dass einer der amerikanischen Soldaten in einem Altersheim in Maryland lebte, wo er seit Jahren dieselbe Geschichte erzählte. Fritz flog nach Maryland und traf Ralph Blank persönlich – einen der amerikanischen Soldaten, der noch einen deutschen Kompass und die Originalkarte bei sich hatte. Fritz Vincken konnte schließlich einen weiteren Amerikaner finden, aber keinen einzigen Deutschen. Fritz starb 2002, fast auf den Tag genau 58 Jahre nach dem kleinen Weihnachtsfrieden. Im selben Jahr wurde der Film „Stille Nacht“ über dieses Ereignis gedreht.


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